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 Übersetzung und Originaltext der Beschreibung des Wolfes in der Fauna Japonica 

Zur Übersetzung
Ergänzungen zum Verständnis und Textkorrekturen im Originaltext wurden von uns in eckigen Klammern [] hinzugefügt.

Die alten franz. Längenmaße wurden von uns in Zentimeter umgerechnet und auf- bzw. abgerundet; die neuen Gesamtwerte wurden ebenfalls in Klammern ergänzt. Sie wurden wie folgt berechnet:

Pied (Fuß) = 32,472 cm; entspricht 12 pouces
Pouce ("Daumen"/Zoll) = 2,706 cm; entspricht 12 lignes
Ligne (Linie) = 0,226 cm


Ph. Fr. de Siebold: Fauna Japonica, Lugduni Batavorum (= Leiden) 1842, Kap. "Chien hodophile (Canis hodophylax)", S. 38-39.

Hodophylax-Hund (Canis hodop[h]ylax). [1]
Tafel 9, ausgewachsenes Exemplar.

Die neue Wildhundart, der "Jamainu", wie er bei den Japanern heißt [2], läßt sich mit dem Wolf unserer Gegenden vergleichen, sowohl im Hinblick auf seinen ganzen Körperbau als auch auf die Beschaffenheit seines Fells und seine Lebensweise. Allerdings unterscheidet er sich durch die geringere Länge seiner Läufe doch genügend von unserem Wolf (Canis lupus), um jeden Gedanken an eine engere Beziehung zu dieser europäischen Hundeart zu verwerfen. Er kommt auch nicht als Entsprechung zu den Wildhundarten Nordamerikas in Frage, von denen er sich durch seine geringe Größe und die Kürze seiner Läufe abhebt. Die letztere Eigenschaft ist eine bemerkenswerte Erscheinung bei dieser neuen Tierart.

Der Japanische Wolf ist nicht nur kleiner als der europäische, er steht auch im Verhältnis zur gesamten Körpergröße weniger hoch auf seinen Beinen als der letztere. Ein Vergleich der Maße der Knochen der betreffenden Körperteile reichte aus, um diesen Unterschied festzustellen. Sie wurden am Skelett eines sehr alten europäischen Wolfes gemessen, sowie an den vorderen und hinteren Extremitäten eines großen ausgewachsenen Japanischen Wolfes. Es sind dies auch die einzigen Teile des Skeletts, die mir für diesen osteologischen (knochenkundlichen) Vergleich zur Verfügung standen.

Der Oberarmknochen (Humerus) und der Oberschenkel (Femur) fehlten bei den Knochen der Läufe unseres "Jamainu". Der Unterarmknochen oder die Speiche (Radius) dieses Wolfes hat eine Länge von 7 Zoll, 6 Linien [20,30 cm], während sie beim europäischen Wolf 9 Zoll, 5 Linien [25,48 cm] beträgt. Das Schienbein des ersteren hat eine Länge von 6 Zoll, 6 Linien [17,60 cm], bei unserem Wolf sind es 8 Zoll, 4 Linien [22,55 cm]. Die Mittelfuß- (Metatarsi) und Mittelhandknochen (Metacarpi) unterscheiden sich ebenfalls in ihren Maßen.

Das Fell des Jamainu ist kurz und glatt, aber der Schwanz ist mit längeren Haaren besetzt. Die Beschaffenheit dieses Fells wie auch seine Farbe unterscheidet sich wenig vom Pelz unseres Wolfes. Ein grauer oder aschefarbener Teint bildet die Grundierung dieses Pelzkleides. Alle Haare waren vom Ansatz bis zu zwei Dritteln ihrer Länge so gefärbt. Diese Haare haben auf dem Rücken und in der Gegend der Kruppe schwarze Spitzen, was dazu führt, daß diese Partien ein schwärzliches Aussehen haben. Die Flanken, das Hinterteil, der Bauch und der Schwanz haben einen grauen Teint, da die Haare in diesen Partien nur ganz am Ende eine leicht schwärzliche Färbung aufweisen. Der Kopf und die Schnauze sind dunkelgrau, die Lefzen mehr oder weniger schwärzlich, und die Gegend hinter den Ohren ist bräunlich-rot. Die vier Extremitäten sind grau, mit roten und braunen Färbungen laviert (verwaschen gefärbt). Die Schwanzspitze hat keine gefärbte Flocke.

Die Maße eines ausgewachsenen Exemplars, das auf Tafel 9 dieses Werkes abgebildet ist, sind an der Vorderseite 1 Fuß, 4 Zoll [43,30 cm] [3], an der Kruppe [= hintere Bereich des Rückens] 1 Fuß, 6 Zoll [48,71 cm]. Gesamtlänge: 3 Fuß, 9 Zoll [121,77 cm], wobei der Schwanz ungefähr einen Fuß [32,47 cm] ausmacht. Abstand vom vorderen Augenrand zur Nasenspitze: 3 Zoll, 6 Linien [9,47 cm]. Höhe der Ohren: 3 Zoll [8,12 cm].

In den Aufzeichnungen des Herrn von Siebold [4] wird ein sehr altes Individuum dieser Art erwähnt, das dieser Reisende lebend bekommen und einige Zeit in Gefangenschaft gehalten hat. Die Maße und die Fellfärbung, von denen er einige Einzelheiten mitteilt, sind ganz und gar dieselben wie die, die ich vor kurzem an einem gut erhaltenen Balg festgestellt habe, den das Museum [in Leiden] dank der Bemühungen von Herrn Bürger [5] erhalten hat und der ihm unter demselben Namen, nämlich "Jamainu", übersandt wurde.

Der Wolf lebt in waldreichen und gebirgigen Gegenden. Er jagt in kleinen Rudeln. Sein Vorkommen ist von den Japanern ebenso dezimiert worden wie das von unserem Wolf in den Ländern Europas, wo er sich im Winter aber noch recht oft zeigt, trotz der hartnäckigen Verfolgung, der er ausgesetzt ist. Die Japaner behaupten, daß man das Fleisch des Ookame [6] essen könne, während das des Jamainu gesundheitsschädigend sei.


CHIEN HODOPHILE. (CANIS HODOP[H]YLAX). [7]
Pl. IX, adulte.

L'espèce nouvelle de chien sauvage, Jamainu des Japonais, peut être comparé au loup de nos contrées, autant par l'ensemble des formes que par la nature du pelage et par sa manière de vivre; toutefois, la proportion moins haute des pieds le distingue déjà assez de notre Canis lupus, pour écarter toute idée de rapport spécifique avec ce chien d'Europe. Il ne saurait non plus être admis comme espèce analogue des chiens sauvages de l'Amérique septentrionale, desquels il s'éloigne par sa petite taille et par la brièveté des jambes. Ce dernier caractère est en effet remarquable dans cette nouvelle espèce.

Le loup du Japon est non seulement plus petit que celui d'Europe, mais il est proportio[n]nellement à la taille moins élevé sur jambes que ce dernier; les dimensions comparées des os de ces parties suffiront pour constater cette différence; elles sont prises sur la squelette d'un loup d'Europe très vieux, et sur les extrémités antérieurs et postérieurs d'un loup du Japon adulte, de forte dimension; ce sont aussi les seules parties du squelette que je puis faire servir à cette comparaison ostéologique.

L'humerus et le fémur manquaient aux os des pieds de notre Jamainu; l'os de l'avant-bras ou le radius de ce loup est long de 7 pouces 6 lignes, tandis qu'il a 9 pouces 5 lignes chez le loup d'Europe; le tibia du premier porte en longueur 6 pouces 6 lignes, et celui de notre loup est de 8 pouces 4 lignes; les métatarses et les métacarpes diffèrent également par leurs dimensions.

Le pelage du Jamainu est court e lisse, mais la queue est pourvue de poils plus longs; la nature de ce pelage, de même que sa couleur, diffèrent peu de la fourrure de notre loup. Une teinte grise ou cendrée sert de fond à cette livrée; tous les poils étant colorés ainsi depuis leur base jusqu'aux deux tiers de la longueur; ces poils ont des pointes noires sur le dos et vers la croupe, ce qui fait que ces parties offrent des teintes noirâtres; les flancs, le cou, le ventre et la queue portent des teintes grises, vu que les poils de ces parties n'ont que leur fine pointe légèrement noirâtre; la tête et le museau sont d'un gris foncé, les lèvres plus ou moins blanchâtres, et la région postérieure des oreilles d'une teinte rousse brunâtre; les quatre extrémités sont grises, lavées de teintes rousses et brunes. La bout de la queue ne porte pas de flocon coloré.

Les dimensions prises sur un sujet adulte figuré pl. 9 de ce recueil sont, pour le train de devant, 1 pied 4 pouces, pour la croupe 1 pied 6 pouces; longueur totale 3 pieds 9 pouces, sur laquelle la queue prend environ un pied; distance du bord antérieur des yeux à la pointe du nez 3 pouces 6 lignes; hauteur des oreilles 3 pouces.

Les notes de Mr. de Siebold font mention d'un individu très vieux de cette espèce que ce voyageur a obtenu vivant et qu'il a tenu captif pendant quelque temps; les dimensions et les teintes du pelage dont il fournit quelques détails sont absolument les mêmes que celles que je viens de tracer sur une dépouille parfaite, reçue au musée par les soins de Mr. Bürger, et envoyée sous ce même nom de Jamainu.

Le loup vit dans les contrées boisées et montagneuses; il chasse en petites familles; sa présence est aussi redoutée des Japonais que celles de notre loup dans les contrées de l'Europe, où il se montre assez souvent encore en hiver, nonobstant les poursuites assidues dont il est l'objet. Les Japonais prétendent qu'on peut manger la chair de l'Ookame mais que celle du Jamainu est nuisible pour la santé.


Hinweise
[1] Die Kapitelüberschrift "Chien hodophile" ist ein mißglückter Versuch der Herausgeber der Fauna Japonica, den zoologischen Namen des Japanischen Wolfes Canis hodophylax ins Französische zu übertragen. Er beruht offenbar auf Unkenntnis des Griechischen. Das Artepithet "hodophylax", der griechische Name für die Spezies, setzt sich aus οδος (hodos) = Weg, Fahrt und φυλαξ (phylax) = Wächter, Hüter zusammen. Ein Canis hodophylax ist also ein Hund, der den Weg bewacht. Die Herausgeber haben nun "hodophylax" im Französischen mit "hodophile" wiedergegeben, d.h. φυλαξ wurde zu φιλος (philos), was "Freund" oder "zugetan" bedeutet. Ein Chien hodophile wäre also ein Hund, der den Weg liebt oder ein Hund, der gerne reist – was natürlich Unsinn ist. In der Kapitelüberschrift fehlt bei "hodophylax" darüber hinaus ein "h", das wir ergänzt haben.

Weit verbreitet ist übrigens in der Literatur auch die Schreibweise "hodophilax" mit "i" statt mit "y", was etymologisch ebenfalls falsch ist.

[2] In seiner fundamentalen Studie über den Japanischen Wolf führt Brett L. Walker aus, wie es – bedingt durch unglückliche Umstände – dazu kam, daß C. J. Temminck, der Herausgeber von Siebolds Beschreibung des Japanischen Wolf (siehe Anm. 4), die alte japanischen Unterscheidung zwischen dem Wolf (okami) und dem "Berghund" (yamainu) ignorierte und beide gleichsetzte; siehe Brett L. Walker: The Lost Wolves of Japan. Foreword by William Cronon, University of Washington Press, Seattle and London 2005, pp. 31-40 und 51-54.–
Festzuhalten bleibt, daß der Unterschied zwischen dem Wolf und den Yamainu bis heute nicht zufriedenstellend aufgeklärt werden konnte.
[3] In Japan sind drei Wolfsüberreste erhalten, die – gemäß einer japanischen Webseite – größer sind als Siebolds Exemplar: 46,5 cm (National Science Museum, Tokyo), 47,8 cm (Tokyo University Agricultural Department) und 52,5 cm (Wakayama University).
[4] Es "spricht" der Herausgeber Temminck. Die Herausgeber der Beschreibungen der Wirbeltiere (Vertebratae) in der Fauna Japonica waren C. J. Temminck und H. Schlegel. Der holländische Zoologe Coenraad Jacob Temminck (1778-1858) war von 1820 bis zu seinem Tod der erste Direktor des Nationalen Naturhistorischen Museums in Leiden in Holland. Der deutsche Zoologe Hermann Schlegel (1804-1884) arbeitete ebenfalls am Museum in Leiden und war von 1860 bis zu seinem Tod dessen Direktor.

Der Herausgeber der Beschreibungen der Wirbellosen (Invertebratae) in der Fauna Japonica war holländische Zoologe Wilhelm de Haan (1801-1855).

[5] Der deutsche Apotheker, Chemiker und Naturforscher Heinrich Bürger war der Assistent Siebolds in der Filiale der Niederländischen Ostindien-Kompanie auf der Insel Deshima (Dejima) in der Bucht von Nagasaki. Bürger war dort später der Nachfolger von Siebold. Er lebte von 1804/1806 (?) bis 1858.
[6] Der Name Ookame scheint schlicht eine regionale Variante von okami, dem japanischen Wort für Wolf zu sein. Zu den unterschiedlichen Schreibweisen für den Wolf siehe John Knight: Waiting for Wolves in Japan: An Anthropological Study of People-Wildlife Relations, Oxford University Press 2003, S. 195.–
Der Ookame wird auch in dem Kapitel über die japanischen Hunde erwähnt (Fauna Japonica, S. 38).
[7] Siehe Anmerkung 1.

© Holger Funk 2006

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