Der Shiba und seine Zucht in Tschechien 

Japan ist die Heimat von insgesamt 11 Hunderassen, aber nur sechs von ihnen werden als "natürliche" Rassen angesehen, die ohne jeglichen Einfluß westlicher Rassen entstanden sind. Dies sind im einzelnen: Shiba, Hokkaido, Kai, Kishu, Shikoku und Akita – alles Rassen von Spitzen gleichen Ursprungs und zusammengefaßt "Nippon Inu" genannt, japanische Hunde.

Die wahrscheinlich älteste dieser Rassen ist auch die kleinste: die Shiba-Rasse. Ihr Ursprung liegt lange vor unserer Zeitrechnung, als die japanischen Inseln Heimat verschiedenster Siedler wurden, die nicht nur unterschiedlichste kulturelle Einflüsse mit sich brachten, sondern auch die unterschiedlichsten Hunderassen. Archäologische Funde zeigen, daß das Ergebnis der Kreuzung dieser Rassen Tiere ähnlich den heutigen Nippon Inus waren: Hunde mit spitzer Schnauze, kleinen hervorstehenden Ohren, einem kurzen, flauschigen Fell und eingerollter Rute.

Die Zucht von Hunden diente in Japan bis in neuerer Zeit vor allem der Jagd. Hunde waren nicht nur auf dem Land verbreitet, sondern hatten auch viele Freunde im reichen Adel und unter den Samurais. Daß sogar die kaiserliche Familie die Hundezucht unterstützte, geht daraus hervor, daß der fünfte Kaiser der Tokugawa-Dynastie (sie währte von 1603 bis 1854), Shogun Tsunayoshi, aufgrund seiner großen Hundeliebe den Titel "Hunde-Shogun" trug. Während seiner Herrschaft gründete er Hundeheime und setzte sich für die Verbreitung der Veterinärmedizin in Japan ein.

Nach Ende der Tokugawa-Dynastie kam es nach 1854 zu einer Öffnung Japans für westliche Zivilisationen und einer entsprechenden Zuwanderung fremder Hunderassen. Die ursprünglichen japanischen Hunde vermischten sich mit den neuen Rassen und blieben in Reinform nur noch in kleinen, isolierten Gebieten erhalten. Glücklicherweise gab es als Gegengewicht zu dem Trend, alles Alte und Traditionelle zu ersetzen, die Bemühung vieler japanischer Würdenträger, die ursprüngliche Kultur zu bewahren. In den 30er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts erstreckte das japanische Kultusministerium den Status "Natürliches Nationalerbe" auf außergewöhnliche Gebäude, Berge, Bäume, Pflanzen, aber auch auf alle japanischen Hunderassen.

Damals durchreiste Dr. Hiroyoshi Saito ganz Japan, um die Merkmale der heimischen Hunderassen genau zu studieren und festzuhalten. Er gab den Rassen auch ihre Namen und setzte für jede von ihnen Standards fest.

Der Ursprung des Namens Shiba (Shiba Inu) ist nicht vollständig geklärt. Einige Experten behaupten, daß sich der Name von der Bedeutung "Gebüsch" des Wortes "Shiba" ableitet. In dem Fall wäre der Shiba Inu der "Hund aus dem Gebüsch", was auf seinen Einsatz als Jagdhund im Unterholz und hohen Gras hinweisen würde. Andere behaupten, daß sich der Name von der Bedeutung "klein" ableitet und auf die kleine Statur des Shibas verweist. Shiba Inu = kleiner Hund. Wie dem auch sei, Tatsache ist, daß der Shiba Inu aufgrund seiner Größe und Einsetzbarkeit auch die harten Jahre des zweiten Weltkrieges in den ländlichen Gebieten Japans überleben konnte, als dort die meisten Hundepopulationen verschwanden. Weil er auch kein beliebtes Schoßhündchen der reichen Stadtbevölkerung war, entging der Shiba zudem der Kreuzung mit anderen Hunderassen und mußte für seine Erhaltung nicht mit Fremdblut regeneriert werden, wie beispielsweise der Akita. Darum ist er in seiner Erscheinung nicht so vielseitig wie der Akita (der sich heute in zwei Rassen aufteilt), sondern ein reiner Nachkomme der Hunde, die bei Japans Besiedelung mit auf die Insel kamen.

Die Zucht bei uns

Die ersten Shibas wurden 1989 in die Tschechische Republik eingeführt. Zuerst die Welpenhündin QUITE GOOD as Áras an Úachtaráin aus Holland. Leider hatte sie sich aber vor ihrer Abreise mit Parvovirose infiziert und starb eine Woche nach der Ankunft in ihrer neuen Heimat. Ihr starker Charakter und Kampf mit dem Tod bis zur letzten Sekunde beeindruckte ihre Besitzerin so sehr, daß sie sich entschloß, weitere Shibas ins Land zu bringen, diesmal aber schon ausgewachsene. So kamen einige Tage nach der Samtenen Revolution die Hündinnen NOW OR NEVER as Áras an Úachtaráin aus Holland und Manlötens YUBINA aus Schweden im Land an. Ihnen folgte aus den USA der Rüde Minimeadow ARKO, Vater des ersten Shiba-Wurfs auf tschechischem Boden. Bis Ende 2002 waren mehr als 700 Shibas im tschechischen Zuchtbuch eingetragen.

Wie sie sind und zu wem sie passen

Der Shiba ist der geborene Individualist. Er ist ein Samurai, der allein durchs Leben schreitet, nur sich selbst vertraut, auf Freunde keinen Wert legt und sich niemandem unterordnet. Ich und meins – das ist das Credo eines Shibas.

Alles was ein Shiba macht, dient dem eigenen Weiterkommen. Wenn er seinem Herrn gehorcht, dann nur, um unnötigen Problemen aus dem Weg zu gehen. Ist er aber von der Richtigkeit seines Handelns überzeugt, erschreckt ihn kein Fordern oder Strafen. Er will immer und überall der Erste und Wichtigste sein. Er haßt andere Hunde, selbst solche der eigenen Rasse. Selbst eine Mutter-Kind-Bindung hält nicht lange vor; schon gar nicht bei Mutter und Tochter. Es empfiehlt sich darum, einen Rüden und eine Hündin zu halten, obwohl selbst diese untereinander unentwegt Kämpfe um die Vorherrschaft ausfechten werden. Ihre Konflikte sind aber bei weitem nicht so schlimm wie die zweier Hündinnen untereinander oder die Auseinandersetzung eines Shibas mit Hunden anderer Rassen.

Shibas greifen nur selten Hunde kleinerer oder gleichgroßer Rassen an, da sie diese als Gegner nicht ernst nehmen und deshalb schlichtweg übersehen. Um so mehr hassen sie dafür größere, für sie gefährliche Hunde: Dobermann, Rottweiler, Fila, Mastiff und Eurasier. Diese Hunde werfen einen großen Schatten auf das kleine Reich des Shibas und verdienen es deshalb, aus dem Weg geräumt zu werden. Das Ergebnis einer solchen Auseinandersetzung ist jedoch schon vorher absehbar. Von der Weltanschauung des Shibas konnten sich allerdings schon mehrere Besitzer eines Akitas schmerzhaft überzeugen, die sich einen Shiba als niedliche Miniatur des Akitas angeschafft hatten, um dann beide im selben Zwinger zu halten.

Ein Shiba akzeptiert nicht im mindesten das Revier eines anderen Hundes und empfindet ein gut gemeintes Knurren auch schon mal als dreiste Provokation. So todesmutig, wie er sich bei der Jagd auf Rehe und Bären stürzt, so stürzt er sich auch auf jeden größeren Gegner, ohne Rücksicht darauf, daß er nicht immer seinen Herrn im Rücken hat, der ihn im Zweifelsfall rettet.

Der Shiba ist ein lustiger Zeitgenosse, der es schafft, den ganzen Tag lang zu spielen und sich Unsinn auszudenken, mit dem er sich und sein Umfeld erheitern kann. Lediglich manche Rüden sind sich manchmal zu würdevoll für solch kindische Spielereien. Er ist sehr neugierig und schafft es, mitunter den ganzen Tag lang auf der Fensterbank oder vor einer Türspalte zu sitzen, um das alltägliche Treiben zu beobachten. Er ist sehr ordentlich und reinlich, zerstört ein Minimum an Einrichtung (wenn, dann am liebsten Textilien aller Art) und begreift sehr schnell, daß man sein Zuhause nicht verschmutzen darf. Er kann auch im Zwinger gehalten werden, obwohl er dort seinen Charakter nur schlecht ausprägen kann. Er ist ideal für Stadtwohnungen, weil er sich leise verhält und kaum bellt. Er hat viele Eigenschaften einer Katze – er bringt es z. B. fertig, stundenlang Fell und Pfoten zu pflegen. Er liebt die Bequemlichkeit und seine Privatsphäre und kann diese energisch einfordern, wenn er sich von zuviel Aufmerksamkeit bedrängt fühlt. Als seine Höhle sucht er sich meistens gut geschützte Orte (hinterm Sofa, unterm Bett, im hintersten Winkel unterm Tisch) und wenn er sich dorthin zurückgezogen hat, ist er in der Lage, jeden zu beißen, der versucht, ihn von dort wegzuzerren. Der Shiba ist ein grandioser Mäusefänger und er wartet geduldig auf die Gelegenheit, eine zu erwischen. Ein Nachteil beim Shiba ist, daß er immer versucht, die Beute sofort aufzufressen. Viele Shibas fressen Vögel, Frösche und Würmer. Sie lieben Gemüse, Obst, süße Beeren und Wurzelwerk.

Shibas haben einen unwahrscheinlichen Orientierungssinn und entfernen sich in Gebieten, die sie einmal kennengelernt haben, sehr weit von ihrem Herrn. Nur an Orten, die ihnen fremd sind, halten sie sich in Sichtweite. Wenn Sie mit einem Shiba spazieren gehen, müssen Sie sich damit abfinden, daß Sie alleine gehen. Sie werden ihren Hund das letzte Mal sehen, wenn Sie ihn von der Leine losmachen, und dann erst wieder, wenn sie schon auf dem Heimweg sind. Unsere Breiten sind für den Shiba jedoch sehr gefährlich – schießwütige Jäger, die ihn für einen Fuchs halten, Züge, Autos, Gruben und böse Menschen. Darum ist der Shiba prädestiniert für das Stadtleben und die Hundeleine. In der Stadt ist die Versuchung, ein Unheil herbeizuziehen, nicht so groß.

Der Shiba paßt zu toleranten, ruhigen Menschen, die einen lieben und fröhlichen Freund suchen und die bereit sind, die große Individualität und Selbständigkeit des Hundes zu akzeptieren. Bei solch einem Herrn ist der Shiba zufrieden, angenehm und niedlich. Nervöse, laute und herrische Menschen sollten sich keinen Shiba zulegen, sie würden sich mit ihm nicht verstehen und einander gegenseitig zur Hölle werden.

Als hervorragende Halter haben sich Heranwachsende herausgestellt, die einerseits verstehen, welche Verantwortung ein Hund bedeutet, und andererseits selbst verspielt genug sind, um die Verspieltheit und den Charakter ihres tierischen Freundes zu respektieren. Häufig sind es gerade die Kinder, die der Shiba in seiner Familie am liebsten hat.

Zuerst erschienen in SVÌT PSÙ 3/2002; © Hana Petrusová
Nachdruck oder Vervielfältigung des Artikels nur mit Genehmigung der Autorin

Aus dem Tschechischen von Marian Funk