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 Epilepsie 

Die Fallsucht – Epilepsie – ist eine Gehirnerkrankung, die seit mehr als tausend Jahren bekannt und belegt ist. Die Pharaonen im alten Ägypten litten unter ihr und auch Cäsar war ein Epileptiker. Auch Tiere werden von ihr nicht verschont, folglich auch nicht Hunde.

Mit der Epilepsie beim Hund haben sich viele Autoren befaßt, aber zur Aufklärung ihres Verlaufs, ihrer Ursachen und Erblichkeit haben am meisten die Forschungen beigetragen, die F. Horák und Z. Martínek am Physiologischen Institut der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften (ÈSAV) durchführten.

Die Ursachen der Fallsucht können zweierlei sein:

1) erbliche Veranlagung 
2) erworbener Defekt des Gehirns   a) durch Nervenstaupe
    b) durch eine Beschädigung des Gehirns

Die erworbene Epilepsie ist selbstverständlich nicht erblich und wenn Anfälle auftreten, wirken sie sich nur auf das jeweils betroffene Tier aus. Zu einer Beschädigung des Gehirns, die zu epileptischen Ausfallerscheinungen führt, kommt es öfters nach einer schweren Nervenstaupe. Nur selten ist die Epilepsie Folge einer komplizierten Geburt, von Luftmangel oder Kopfschäden. Die Anfälle treten in einem solchen Fall erst längere Zeit nach dem Ereignis, das sie verursacht hat, auf.

Für die Hundezucht ist die erbliche Epilepsie von Bedeutung, weil sie die Existenz der ganzen Rasse gefährdet bzw. ein großen Teil von ihr.

Verlauf der Anfälle

Durch eine starke und heftige Störungen bestimmter Partien des Gehirns kommt es zu einer Beschädigung der Nerven und zu Krämpfen, die sich äußerlich in sog. epileptischen Anfällen manifestieren.

Beim Hund unterscheidet man drei Typen von Anfällen:

a) der kleine Anfall (Petit mal)
b) der große Anfall (Grand mal)
c) Status epilepticus

Beim kleinen Anfall treten nur Krämpfe einer bestimmten Muskelgruppe an Kopf und Hals auf, und es sind Kaubewegungen des Kiefers verbunden mit verstärkter Speichelbildung zu beobachten. Die Tiere bewegen sich ansonsten normal. Ein solcher Anfall dauert gewöhnlich ungefähr eine halbe Minute bis zu ein paar Minuten und hinterläßt keine Spuren im Verhalten des Hundes. Nach den Beobachtungen von Horák und Martínek äußert sich der kleine Anfall auch als Vorbote bei Tieren, die später einen großen Anfall bekommen.

Der große Anfall tritt beim Hund öfters auf. Er beginnt analog zum kleinen Anfall, also mit Kauen und Speichelbildung. Diese Anzeichen steigern sich, der Hund wird unruhig und dreht sich im Kreise. Nach der Anfangsphase, die ungefähr 7-10 Sekunden dauert, kommt es zu Muskelkrämpfen am Körper und an den Läufen (ungefähr 40 Sekunden lang) und das Tier stürzt zu Boden verbunden mit scharrenden Bewegungen der Glieder wie beim Trab. Diese dritte Phase dauert etwa 45 Sekunden. Anschließend lassen die Krämpfe langsam nach, wobei sich der Hund oft benäßt. Nachdem sich die Muskeln vollständig gelöst haben und der Hund sich wieder normal bewegt, macht er erneut Anstalten, sich im Kreis zu drehen und vollführt sog. Manegebewegungen. Er dreht sich immer nach derselben Seite wie zu Beginn des Anfalls. Im Durchschnitt dauert der große Anfall insgesamt zirka 95 Sekunden.

Der Status epilepticus entsteht im Verbund einer Reihe aufeinanderfolgender großer Anfälle, oder es handelt sich direkt um einen ausgedehnten großen Anfall. Die andauernden Krämpfe mindern den energetischen Vorrat des betroffenen Tieres derart, daß es an Erschöpfung stirbt oder aufgrund langanhaltender Krämpfe der Atemmuskulatur erstickt.

Sequenzen eines Grand mal-Anfalls bei einem Labrador

1. bewußt erlebter Anfallsbeginn (Aura)

2.-7. eigentlicher Anfall (Ictus)

2. erhöhte Anspannung der Muskulatur der Vorderläufe

3. Rudern aller Glieder (Automatismen)

4.+6. Rudern der Vorderläufe

5. exzessive Anspannung der Muskulatur der Vorderläufe

7. tonisch-klonische Krämpfe

8. Phase nach dem Anfall (postiktal)

Faktoren, die epileptische Anfälle begünstigen oder eindämmen

Einzelne epileptische Anfälle können beim betroffenen Hund ganz spontan, ohne sichtbare Ursachen entstehen. Häufiger sind aber umweltbedingte Auslöser. Ein solcher Auslöser kann irgendeine Abweichung von der Alltagsroutine sein – das Kämmen oder die Pflege des Fells, eine Impfung, Blutabnahme oder eine Autoreise – oder auch der Zeitpunkt, wenn der Hund sein gewohntes Leben im Zwinger aufgeben muß, um in ein neues Zuhause zu kommen. Ebenso ruft die Unterbringung des Hundes in einem völlig leeren Raum einen Anfall von etwa 20 bis 30 Sekunden hervor. Es ist aber erwiesen, daß der Anfall unterbleibt, wenn sich der Betreuer des Hundes gleichfalls in diesem Raum aufhält. Auch die Anwesenheit eines anderen Hundes im gleichen Raum – sofern sich der Versuchshund für ihn interessierte und er mit ihm spielte – verhinderte einen Anfall. Wenn aber der Versuchshund kein Interesse an dem zweiten Hund hatte, stellte sich der Anfall genauso schnell ein, als wenn er allein in dem Raum war. Weder Futter noch andere Gegenstände im Versuchsraum haben die Entstehung eines epileptischen Anfalls verhindert. Interessant zu beobachten war, daß an Epilepsie erkrankte Hunde niemals in ihrem Zwinger einen Anfall erlitten, beim Spaziergang an der Leine oder im Flur, durch den sie zu einer Untersuchung geführt wurden.

Aus dem Vorherigen kann man schließen, daß ein Züchter, der seine Hunde dauerhaft im Zwinger hält, aus dem er sie nicht in eine fremde Umgebung entläßt und sie ungewohnten Situationen aussetzt (Tierarzt, Ausstellungen), eventuell auch nicht merkt, daß er in seiner Zucht epileptische Tiere hat!

Es ist durch Versuche erwiesen, daß die Häufigkeit epileptischer Anfälle unabhängig von der Jahreszeit ist – sie treten zu jeder Jahreszeit auf. Einzelne betroffene Tiere haben jedoch Abschnitte, in denen sich die Anfälle häufen und dann wieder ruhige Phasen, ohne Anfälle.

Es wurden niemals Anfälle bei jungen Welpen beobachtet. Daher rührt auch die Heimtücke dieser Krankheit für Züchter und Leute, die Welpen kaufen wollen. Es ist bei der Abgabe eines Welpen auf Grund des Alters (bis zu einem halben Jahr) nicht möglich festzustellen, ob er Epilepsie hat oder nicht.

Manifeste Anfälle treten bei Hunden etwa ab dem zweiten Lebensjahr auf, und mit zunehmendem Alter wächst die Häufigkeit und Intensität der Anfälle. Nur bei Nachkommen von beiderseits epileptischen Eltern ist es gelungen, einen Anfall bereits im Alter von 6-7 Monaten hervorzurufen.

F. Horák hat festgestellt, daß die Anlage zu erblicher Epilepsie rezessiven Charakter hat. Gleichzeitig räumt er die Möglichkeit ein, daß Epilepsie-Kandidaten solche Tiere sind, die aus langjähriger Inzucht stammen.

Es ist durch Versuche erwiesen, daß Eltern, die selber nicht an epileptischen Anfällen leiden, aber Träger einer Anlage zu dieser Krankheit sind, zu 25% Nachkommen haben, bei denen niemals epileptische Anfälle auftreten. Wenn beide Elternteile an Anfällen litten, wurden bei deren Nachkommen Anfälle bereits im Alter von 6-7 Monaten hervorgerufen. Nachkommen von Eltern, die Träger einer Anlage waren, hatten weniger oft Anfälle als Nachkommen, deren Eltern selber betroffen waren.

Resümee für Züchter:

  1. Die erbliche Epilepsie hat rezessiven Charakter, ihre Träger können in einer Population lange latent sein.
  2. Anfälle erblicher Epilepsie treten nicht bei Welpen auf, die jünger als ein halbes Jahr alt sind.
  3. Das Aufkommen erblicher Epilepsie kann durch Inzucht über viele Generationen hinweg begünstigt sein.
  4. Bei Hunden, die lange Zeit in der selben Umgebung ohne markante Abwechslung gehalten werden, kann die Epilepsie äußerlich nicht in Erscheinung treten.

Weitere Informationen: Canine Epilepsy Network (CEN)

Ing. Hana Petrusová
Zuchtberaterin SHIBA KLUB

Aus dem Tschechischen von Holger Funk.

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