Die Ursprünge der japanischen Hunderassen und die Besiedlung des Archipels 

Der Hund ist eines der wenigen Haustiere, das seit prä-agrikulturellen Zeiten mit dem Menschen in einer Partnerschaft lebte, in der beide wechselseitig voneinander profitierten. Das heißt, der Hund diente nicht einseitig als Nahrungs- oder Rohstoffquelle für den Menschen, wie bei der sog. Probiose (Kommensalismus), wo nur die eine Seite Nutzen zieht, die andere dadurch aber auch nicht beeinträchtigt wird. Vielmehr lebten Mensch und Hund in Symbiose zusammen und bildeten ein Team, in dem sie gemeinsam zur Jagd gingen und in dem die Fähigkeiten des jeweils anderen beiden zugute kamen.

Der Hund (canis familaris) wurde zwischen 14.000 und 12.000 v.Chr. vom Menschen domestiziert. Seit dieser Zeit begleitete der Hund den Menschen bei seinen Besiedlungsbewegungen über die Erde. Und so begleitete er auch die Migranten, die als erste die japanischen Inseln besiedelten. Diese Hunde, die zusammen mit den ersten Siedlern nach Japan kamen, waren die Urahnen der heutigen verschiedenen japanischen Rassen.

Jedes menschliche oder tierische Individuum hat einen genetischen "Fingerabdruck", über den man es identifizieren kann. Die Genetik verwendet dafür den Fachausdruck Polymorphismus ("Vielgestaltigkeit"), womit die Varianten (Mutationen) eines Gens an einem bestimmten Genort (Locus) gemeint sind, die sich zu einem eindeutigen Muster verdichten. Diese individuellen Muster lassen sich wiederum größeren Gruppen zuordnen, z.B. die genetischen Muster von Hunden einer lokalen Rasse. Die Variabilität der Gene ist um so größer, je mehr eine Durchmischung mit anderen Rassen stattfindet.

Die genetischen Muster verraten genealogische Verwandtschaften über räumliche Distanzen hinweg. Wenn sich ähnliche Muster in unterschiedlichen Lokalitäten nachweisen lassen, kann man davon ausgehen, daß eine Wanderungsbewegung von einem Ort zum andern stattgefunden hat. Dies läßt sich auch über lange Zeiträume und weite Entfernungen mit einiger Sicherheit sagen. In der Genetik spricht man in diesem Zusammenhang von geographischen Gen-Flüssen ("gene flows").

In Japan hat der Genetiker Yuichi Tanabe, Professor emeritus an der Gifu-Universität, die Besiedlung des Inselreichs anhand der Gen-Flüsse der japanischen Hunderassen rekonstruiert. Zu diesem Zweck hat er den Polymorphismus der Eiweißkörper (Proteine) des Bluts in einer biochemischen Analyse an mehr als 3.600 europäischen und asiatischen Hunden aus 40 Rassen untersucht.

Prof. Tanabe untersuchte 1991 zehn der elf einheimischen japanischen Rassen (siehe Karte):

Hokkaido (Ainu)
Akita
Kai
Kishu
Shikoku
Ryukyu (Yanbaru und Ishigaki)
Shiba mit den vier lokalen Varianten: Shinshu, San'in, Mino und Akita Shiba (Jomon Shiba)

Außerdem berücksichtigte er 8 lokale Populationen:

auf den Ryukyu- bzw. Nansei-Inseln zwischen Japan und Taiwan: Tanegashima, Yakushima, Amamioshima, Okinawahonto und Iriomotejima
auf den Inseln zwischen Japan und Korea: Iki und Tsushima
auf den Halbinseln Shima und Kishu: die Mie hunting dogs (Shima und Nanto)

Insgesamt wurde die Gen-Muster der Blut-Proteine von 1.556 japanischen Hunden untersucht. Die Muster dieser Hunde wurden mit denen von Hunden aus Taiwan, Korea, China, Europa, Rußland sowie Bangladesh verglichen. Es zeigte sich eine nahe genetische Verwandtschaft zwischen Hunden, die in Japan auf Okinawa und Hokkaido und in Taiwan heimisch sind; und ebenfalls zwischen den Hunden der japanischen Hauptinsel und denen in Korea.

Diese Ergebnisse, zusammen mit weiteren archäologischen Untersuchungen, deuten nach Prof. Tanabe an, daß vor mehreren tausend Jahren Hunde nach Japan aus zwei Richtungen gelangten:

mit dem Jomon-Volk vor 8.000 bis 9.500 Jahren aus Südostasien, einschließlich Taiwan und Süd-China
und vor 1.700 bis 2.300 Jahren durch die Yayoi-Völkerwanderung aus dem Nordwesten über die Koreanische Halbinsel.

Die meisten heutigen japanischen Hunde sind als Nachkommen von Kreuzungen dieser beiden Gruppen anzusehen, obwohl bei den Hokkaido- und Ryukyu-Hunden (siehe Bilder) die Erbanlagen der älteren Hunderassen noch ziemlich unbeeinflußt zu sein scheinen.


Die Untersuchungen wurden später von Prof. Tanabe und anderen japanischen Forschern mit über 5.000 Hunden und über ein noch größeres Siedlungsgebiet fortgeführt. Dabei konnten die Ergebnisse von 1991 bestätigt und präzisiert werden. Bei diesen neueren Analysen wurde von den japanischen Rassen auch der Mikawa Inu berücksichtigt. Es wurde ferner festgestellt, daß der Shiba die geringste genetische Variabilität aufweist.

Die Studien von Prof. Tanabe und Kollegen wurden in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht, und zwar

© Dr. Holger Funk 2004

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